Hinweisgeberschutzgesetz gilt ab Juli 2023

Beschäftigtenschutz beginnt am 3. Juli; Meldestelle muss bis Dezember errichtet werden

Im Mai 2023 ist endlich das langsersehnte oder befürchtete Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet worden. Das heißt, ab 3. Juli tritt das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot für Personen in Kraft, die Missstände innerhalb einer Firma melden.

Es gibt in § 2 HinSchG einen langen Katalog von allen Straftaten über Ordnungswidrigkeiten zu Lasten von Arbeitnehmern, Produktsicherheit, Finanzkorruption bis zum Datenschutz, deren Meldung nun geschützt wird. Weil der Katalog so lang ist, und so weit über das hinausgeht, was die EU in der Whistleblower-Richtlinie 2019/1937 verlangt, wurde das Vorhaben erst als Denunzianten-Gesetz kritisiert, fand aber schließlich die erforderlichen Mehrheiten, nachdem man das ursprünglich geplante Recht der Hinweisgeber auf Anonymität gestrichen hatte.

 

Meldestelle bis 17. Dezember einrichten

Die wahrscheinlich wichtigste Neuerung ist die Meldestelle. Bis 17. Dezember 2023 müssen Unternehmen zwischen 50 und 249 regelmäßigen Beschäftigten, eine sog. „interne” Meldestelle einrichten. Falls Ihr Unternehmen einen besonderen Finanzbezug hat, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten, oder wenn Sie mehr als 250 Personen beschäftigen, ist Ihre Frist bis zum 01. Dezember 2023.

Die Meldestelle ist eine sichere Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einer unabhängigen Vertrauensperson, ähnlich dem Datenschutzbeauftragten. Falls Sie die Frist nicht einhalten, kann ein Bußgeld bis zur Höhe von 20.000 € verhängt werden.

Nach § 7 HinSchG kann jeder Mitarbeiter sich an die sog. „interne“ Meldestelle nach § 12 HinSchG wenden. Er kann daneben nach seiner Wahl ab 3. Juli 2023 eine von mehreren „externen“ Bundesmeldestellen nach § 19 HinSchG nutzen; das gilt genauso, wenn Sie wegen Ihrer geringen Mitarbeiterzahl keine eigene Meldestelle haben müssen.

Eine sog. „interne” Meldestelle darf durch einen externen Dienstleister betrieben werden. Das ist in vielen Fällen ratsam, denn sie darf keine Interessenkonflikte aufweisen und muss Geheimhaltung im Zweifel gegen Geschäftsführung oder Administratoren durchsetzten können, falls diese als mögliche Täter genannt werden.

 

Was ist mit „50 Beschäftigten” und „Unternehmen“ genau gemeint?

Das Gesetz ist vom Schutzzweck der Richtlinie her weit auszulegen.

  1. Beschäftigte sind mehr als nur eigene Mitarbeiter, sondern können Bewerber, Auszubildende, Praktikanten sein.

  2. Unternehmen bedeutet wohl jede natürliche oder juristische Person, die über verschiedene Betriebe die tatsächliche Entscheidungsgewalt zu mindestens 50 % innehat. Es ist prinzipiell egal, über welche rechtliche Konstruktion das geschieht.

D.h. auch mehrere kleine Betriebe können über gemeinsame Eigentümer oder Beteiligungen als ein Betrieb gelten. Dem Gesetz liegt ausweislicher des ursprünglichen Regierungsentwurfes die Unternehmensdefinition des Statistischen Bundesamtes zugrunde:

„Das Unternehmen entspricht der kleinsten Kombination Rechtlicher Einheiten, die eine organisatorische Einheit zur Erzeugung von Waren und Dienstleistungen bildet und insbesondere in Bezug auf die Verwendung der ihr zufließenden laufenden Mittel über eine gewisse Entscheidungsfreiheit verfügt. Ein Unternehmen übt eine Tätigkeit oder mehrere Tätigkeiten an einem Standort oder an mehreren Standorten aus. Ein Unternehmen kann einer einzigen Rechtlichen Einheit entsprechen oder aus mehreren Rechtlichen Einheiten bestehen“ (Großschreibung ist aus dem Original).

 

Anforderungen an die Meldestelle

Neben der bereits beschriebenen Unabhängigkeit muss die Meldestelle Hinweise auf verschiedene Arten entgegen nehmen können. Email und Post alleine reichen nicht. Der Beschäftigte darf auf einem persönlichen Gespräch in körperlicher Anwesenheit des Hinweisempfängers bestehen.

Es müssen „klare und leicht zugängliche Informationen“ zur Nutzung der Meldemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dazu bieten sich ein kurzer Aushang mit QR-Code sowie eine weiterführende Internetseite sowie einem sicheren Kontaktformular an.

Zusätzlich gibt es nach § 17 HinSchG strenge Antwortfristen von 7 Tagen für die Eingangsbestätigung sowie 3 Monaten für die Ergebnismitteilung.

Der schwierigste Teil ist jedoch das Verfahren der Meldestelle selbst. Erst muss sie, ggf. unter Nachfragen, anhand des langen Katalogs in § 2 HinSchG feststellen, ob sie wirklich zuständig ist. Dann muss sie ggf. nach § 18 HinSchG weitere Fakten ermitteln (hierfür wird häufig juristische Sachkenntnis von Nöten sein) und schließlich entscheiden, ob in der Regel der Betrieb selbst mit weiterer Ermittlung und Abstellung des Missstandes betraut werden kann oder sie im Ausnahmefall die zuständige Behörde verständigen muss. § 15 HinSchG fordert daher die nötige Fachkunde. Für schwierige Ermittlungen und rechtliche Auslegung dürfte mindestens eine juristische Schulung oder Ausbildung damit gemeint sein.

 

Geschichte des Gesetzes

Im Jahr 2008 wurde erstmals im Bundestag der „Informantenschutz für Arbeitnehmer“ diskutiert, aber nicht umgesetzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) urteilte 2011, dass solch ein Schutz zu den Menschenrechten gehört. Seit 2014 wurde ein Hinweisgeberschutz für Kreditinstitute verpflichtend.

Seit 2019 gibt es die EU-Richtlinie Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von „Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (Whistleblower-Richtlinie). Diese Personen werden in Deutschland inzwischen als Hinweisgeber bezeichnet. Deutschland hielt die Übergangsfrist von zwei Jahren bis 17. Dezember 2021, um diese Regelungen in nationales Recht umzusetzen, nicht ein. Deutschlands bisherigen Entwürfe zum Hinweisgeberschutzgesetz waren lange umstritten, weil sie die Hinweisgeber zu gut stellten, der Datenschutz Probleme aufwarf und es Koalitionsstreit unter der vorhergehenden Regierung gab. Unter der neuen Regierung gab es wiederum mehrere Anläufe, weil Deutschland den Schutz auf viele weitere Tatbestände ausweitete und anfangs eine Verpflichtung zur anonymen Tippgebung einführen wollte. Das Artikelgesetz zur Herstellung des Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Daraus folgt, dass das HinSchG erst ab 3. Juli 2023 vollständig im Netz veröffentlicht werden wird. Es wird dann unter Gesetze-im-Internet vollständig abrufbar sein.

 

Konsequenzen

Wie üblich, droht auch dieses Gesetz mit „Strafen“. Falls Sie nicht bis Dezember Ihre Meldestelle errichten, sind Bußgelder bis zu 20.000 € fällig. Für andere Verstöße können die Bußgelder nach § 40 HinSchG bis zu 100.000 € betragen.

Daneben, also zusätzlich, können Betroffene nach § 37 HinSchG Schadenersatzforderungen wegen Diskriminierung gegen die betroffene Firma geltend machen, wenn ihr Hinweis negative berufliche Folgen hatte.

 

Netzverweise

 

Autor: Florian Thomas Hofmann, Data Privacy Consultant, 15.06.2023

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Florian Thomas Hofmann