Wann müssen Franchiseunternehmen eine Meldestelle einrichten?
Seit Dezember 2023 sind alle Unternehmen ab 50 Beschäftigten verpflichtet, eine Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz einzurichten.
Gerade in Bezug auf Franchiseunternehmen werden uns immer wieder die hier geschilderten Detailfragen gestellt.
Dieser Artikel beschreibt, was wir wissen und was noch offen ist.
Wenn Ihr Unternehmen sich mit einer dieser Fragen praktisch konfrontiert sieht, sollten Sie sich vor Einrichtung einer Meldestelle fachkundig beraten lassen. Es empfiehlt sich, die gewählte Entscheidung zusammen mit den Abwägungen in einem Vermerk festzuhalten, und im Zweifelsfall aktiv die Aufsichtsbehörde zu fragen, um die Haftungsrisiken zu begrenzen.
Vorrede: Auslegungsprobleme
Das HinSchG stellt uns vor ein Auslegungsdilemma:
Einerseits beruht es auf der EU-Whistleblower-Richtlinie 2019/1937, die beispielsweise in Artikel 4 sehr umfangreich jeden schützen möchte, der Verstöße gegen das Unionsrecht meldet. Soweit das deutsche HinSchG jedoch strenger formuliert, muss es deshalb im Lichte des Unionsrechts weit ausgelegt werden.
Auf der anderen Seite erweitert das HinSchG in § 2 die Liste der meldepflichtigen Verstöße erheblich um viele nationale Normen. Weil diese Liste tief in die Rechte der gemeldeten Personen und betroffenen Unternehmen eingreift, muss sie eng ausgelegt werden.
Da das Gesetz noch so jung ist gibt es kaum nationale oder europäische Rechtsprechung, die Klarheit verschaffen könnte. Eine der wenigen weiteren Auslegungsquellen ist die Begründung des Gesetzesentwurfes (Drs. 20/3442 vom 19.09.2022).
Wenn Sie durch diese Auslegungsschwierigkeiten an relevante Unklarheiten kommen, sollten Sie sich individuell beraten lassen.
Meldestellenpflicht ab Dezember 2023
Nach § 12 Abs. 2 HinSchG besteht für jeden „Beschäftigungsgeber“ mit „mindestens 50 Beschäftigten“ die Pflicht eine Meldestelle einzurichten.
50 Beschäftigte
Beschäftigte sind in § 3 Abs. 8 HinSchG beschrieben als Arbeitnehmer, Auszubildende, Beamte etc. sowie andere wirtschaftlich Unselbständige, die ihnen gleichgestellt sind. Aus § 16 Abs. 1 Satz 1 HinSchG ergibt sich, dass Leiharbeitnehmer keine Beschäftigten sind, denn sie werden dort neben diesen als mögliche Hinweisgeber erwähnt.
Der Wortlaut „Beschäftigte“ spricht dafür, dass hier Köpfe gezählt werden, keine Vollzeitäquivalente. In Artikel 8 Abs. 3 der Richtlinie werden sie „Arbeitnehmer“ genannt.
Es wird nicht dazu Farbe bekannt, ob die Zahl von 50 jeden Tag im Jahr überprüft werden muss, einen Jahresdurchschnitt oder kumulativ alle Mitarbeiter meint, die in einem Jahr überhaupt gearbeitet haben. Die Whistleblower-Richtlinie legt in Artikel 4 Persönlicher Anwendungsbereich nahe, dass der Schutzbereich hier sehr weit gezogen werden soll. Daher empfehlen wir eine Meldestelle einzurichten, wenn einmal im Jahr 50 Mitarbeiter gleichzeitig beschäftigt waren.
Beschäftigungsgeber
Beschäftigungsgeber sind nach § 3 Abs. 9 HinSchG natürliche und juristische Personen und andere rechtsfähige Personenvereinigungen. In Artikel 8 Abs. 3 der Richtlinie steht an dieser Stelle „juristische Personen des privaten Sektors“. Nach Erwägungsgrund 48 zur Richtlinie zählt dazu, wer Mehrwertsteuer zahlt. Das spricht dafür, dass alle Betriebe als ein Beschäftigungsgeber gezählt werden, die steuerrechtlich einer Person zugerechnet werden können, etwa im Sinne einer Organschaft.
Im Gesetzgebungsentwurf Seite 41 unten wird für die Unternehmensdefinition auf die Definition von destatis Bezug genommen:
„Das Unternehmen entspricht der kleinsten Kombination Rechtlicher[sic!] Einheiten, die eine organisatorische Einheit zur Erzeugung von Waren und Dienstleistungen bildet und insbesondere in Bezug auf die Verwendung der ihr zufließenden laufenden Mittel über eine gewisse Entscheidungsfreiheit verfügt. Ein Unternehmen übt eine Tätigkeit oder mehrere Tätigkeiten an einem Standort oder an mehreren Standorten aus. Ein Unternehmen kann einer einzigen Rechtlichen Einheit entsprechen oder aus mehreren Rechtlichen Einheiten bestehen.“ (Rechtschreibfehler im Original)
Das spricht dafür, dass eventuell alle Unternehmen, die von einem beherrscht werden, zusammengezählt werden könnten. Je nachdem wie abhängig Franchisenehmer sind (Beteiligung des Franchisegebers, Gebäude wird von Franchisegebers verpachtet…), könnten diese dem Franchisegeber in seltenen Ausnahmefällen zugerechnet werden.
Freiwillige Meldestelle zur Markenstärkung?
Gerade Franchisegeber könnten Interesse daran haben, eine Meldestelle als Service für ihre Franchisenehmer einzurichten, obwohl sie selbst oder die Franchisenehmer nicht mindestens 50 Beschäftigte aufweisen.
Erwägungsgrund 49 der Richtlinie sieht vor, dass auch unterhalb der Schwelle von 50 Beschäftigten eine Meldestelle unter erleichterten Bedingungen eingerichtet werden kann, wenn der Mitgliedsstaat das so vorsieht. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland keinen Gebrauch gemacht, aber diese Klausel bestärkt darin, die Möglichkeiten der DSGVO in dieser Beziehung auszureizen. Es ist denkbar, eine solche Meldestelle auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 a), f) DSGVO i.V.m. Art. 9 Abs. 2 b), h) DSGVO zu stützen, wobei das berechtigte Interesse neben dem Arbeits- und Sozialschutz sowie der Gesundheitsvorsorge darin besteht, entsprechend Erwägungsgrund 47 zur DSGVO sowie Art. 18 Abs. 2 und 21 Abs. 1 DSGVO Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen insbesondere mit Europarechtsbezug geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen.
Weiterführend
Es gibt noch viele weitere Dinge zu beachten, siehe dazu:
Autor: Thomas Hofmann, Data Privacy Legal Consultant, 04.12.2023